In den letzten Tagen wurden in verschiedenen Medien verstärkt palliativmedizinisch relevante Themen, wie etwa die Frage des „Assistierten Suizids“ oder der „End-of-Life Discussions“ angesprochen, die aus der Sicht der Österreichischen Palliativgesellschaft teils unrichtig oder missverständlich dargestellt wurden. Wir sehen uns deshalb veranlasst, die nachfolgende Stellungnahme zu diesen beiden Themen abzugeben.
Assistierter Suizid
Die Österreichische Palliativgesellschaft tritt für eine Beibehaltung der in Österreich geltenden Gesetzeslage ein, in der die Hilfe zum Selbstmord unter Strafe steht.
Abseits von juridischen, soziologischen oder philosophischen Argumenten für die Beibehaltung der derzeitigen Gesetzeslage, die nicht in der Kernkompetenz der OPG liegen, zeigt die tägliche Erfahrung von Menschen, die schwerkranke oder sterbende Patienten betreuen, dass die im öffentlichen Diskurs genannten Gründe für die Notwendigkeit einer Änderung der Gesetzeslage von Annahmen ausgehen, die diametral den tatsächlichen Gegebenheiten entgegengesetzt sind.
So zeigen zum Beispiel Studien, dass Menschen, die sich in Österreich für eine Zulassung des assistierten Suizids aussprechen, davon ausgehen, dass Schmerzen am Lebensende nicht ausreichend therapiert werden könnten. Von dieser irrigen Annahme gehen auch große Teile der rezenten Presseartikel aus.
Die tägliche Praxis im Umgang mit schwerkranken und sterbenden Patienten zeigt aber ebenso wie die zahlreichen Studien zu diesem Gebiet, dass mit den heute verfügbaren Therapien Schmerzen soweit gelindert werden, dass sie in der tatsächlichen Erkrankungssituation niemals zum Wunsch nach assistiertem Suizid führen. Zu diesen Maßnahmen zählt letztlich auch die völlig legale und ethisch begründete Möglichkeit der Einleitung eines Tiefschlafes mit Einverständnis des Patienten, sollten Schmerzen – oder auch andere Beschwerden - in den letzten Lebenstagen nicht anders behandelbar sein.
Es ist deshalb ein tatsächlich „fataler“ Irrtum, die Legalisierung des assistierten Suizids aus Angst vor nicht behandelbaren Schmerzen zu fordern. Auch die anderen in dieser Studie geäußerten Gründe von Gesunden für den Wunsch nach Legalisierung der Sterbehilfe, kommen in der tatsächlichen Erkrankungssituation nicht in dieser Weise zum Tragen.
Es wäre deshalb wesentlich wichtiger, der Stimme von schwer Erkrankten und ihren Palliative Care Betreuern Gehör zu verschaffen, als ständig jene Unglücklichen quasi als Zeugen für die Notwendigkeit der Zulassung des „Assistierten Suizids“ in Österreich anzuführen, die aus Angst vor unbehandelbaren Beschwerden, die sie in irriger Weise befürchteten, Selbstmord begangen haben.
End-of-Life Discussions
Eine zeitgemäße palliativmedizinische Betreuung umfasst neben vielen anderen Aspekten auch die Besprechung des Lebensendes mit schwerkranken Menschen, die krankheitsbedingt eine deutliche Einschränkung der verbleibenden Lebenszeit haben, mit dem Ziel, deren Autonomie und damit deren Lebensqualität bestmöglich zu erhalten.
Diese "End-of-Life Discussions" – in Österreich landläufig und ungebrochen paternalistisch immer noch als "Aufklärungsgespräche" bezeichnet - verbessern bei Krebspatienten signifikant die Lebensqualität, verringern signifikant invasive Maßnahmen im Sterbeprozess (zum Beispiel Transfer auf Intensivstationen), verringern signifikant das Auftreten von Depressionszeichen und verkürzen nicht die Überlebenszeit.
Das alles ist für Patienten mit unheilbarem Lungenkrebs mit höchster wissenschaftlicher Evidenz gesichert. Dies hat dazu geführt, dass endlich die führenden onkologischen Fachgesellschaften ihre Mitglieder dazu aufrufen, mehr und besser mit ihren unheilbaren Patienten das zu besprechen, was sie am meisten quält, nämlich die Fragen: Wie wird meine Krankheit verlaufen? Wie wird mein Lebensende sein? Und bei vielen auch die Frage: Wann wird es sein?
Es ist sehr bedauerlich, dass nun genau das, was wir als Palliative Care Betreuer so lange eingefordert haben, was nun erwiesenermaßen für unsere Patienten vorteilhaft ist und sich nun in der Praxis auch bereits tatsächlich positiv entwickelt hat, in manchen Medien vor dem Hintergrund der Tatsache, dass diese Vorgangsweise dem Gesundheitssystem auf Grund des Wegfalls sinnloser Intensivaufenthalte als Nebeneffekt auch noch Kosten erspart, als gefährliche Sparmaßnahme auf dem Rücken der Patienten dargestellt wird.
Bei aller Vorsicht, die bei Einsparungsmaßnahmen in der Betreuung von Patienten am Lebensende angesichts der demographischen Entwicklung durchaus angebracht ist, ist diese Darstellung, in der der Nebeneffekt der Kostenersparnis als eigentlicher Grund für die „End-of-Life Discussions“ hingestellt wird, völlig kontraproduktiv.
Wenn mit dieser Stimmungsmache die nun langsam beginnenden "End-of-Life Discussions" wieder abwürgt werden, wird unseren Patienten ein Bärendienst erwiesen: Sie werden weiterhin in sinnloser Weise dort versterben, wo laut allen Umfragen kein Mensch versterben will: Auf Intensivstationen, die für diese Patienten ein ungeeigneter und gleichzeitig extrem teurer Ort des Versterbens sind.