Wann soll Palliative Care beginnen?

„Offensichtlich ist Palliative Care nicht nur am Ende eines schweren Erkrankungsprozesses wichtig. Sie ist auch extrem effektiv am Beginn einer lebensbedrohlichen Erkrankung!“

...sagt Dr. Marco Hassler
Einleitung

Dass sich Palliative Care mit der Behandlung der physischen, psychosozialen und spirituellen Beschwerden schwerkranker Menschen befasst, ist in der Definition der WHO festgelegt. Unklar war bisher, zu welchem Zeitpunkt im Krankheitsverlauf diese Betreuung einsetzen soll. Neue Studien mit Krebspatienten geben nun eine eindeutige Antwort darauf.

Übersicht

Gemeinsame Betreuung von Onkologie und Palliative Care

In einer Studie von Patienten mit einem primär metastasierten und inoperablen Lungenkrebs wurde eindeutig gezeigt, dass eine zusätzlich zur regulären onkologischen Therapie durchgeführte begleitende Palliative Care, die schon zum Zeitpunkt der Diagnosestellung begonnen und bis zum Lebensende beibehalten wird, die Lebensqualität dieser Patienten hochsignifikant verbessert und außerdem hilft, belastende Therapien am Lebensende zu vermeiden.
 

Lebensqualität und Überleben günstig beeinflusst

Diese Maßnahmen führen außerdem nicht dazu, dass die somit im gesamten Krankheitsverlauf gleichzeitig von Onkologen und Palliativmedizinern behandelten Patienten früher sterben würden. Die Studien weisen im Gegenteil eher auf einen Überlebensvorteil  derartig behandelter Patienten hin.
 

Frühe Palliative Care ist insgesamt von Vorteil

Diese Daten zeigen, dass zumindestens beim inoperablen, primär metastasierten Lungenkrebs ein früher Einsatz der Palliative Care den Verlauf der Erkrankung äußerst günstig beeinflusst und deshalb dieser Patientengruppe auch angeboten werden sollte.

Hintergrund

Wann soll Palliative Care beginnen?

Die WHO-Definition von Palliative Care legt klar die Aufgaben und Ziele von Palliative Care dar und geht auf Erkrankungen ein, in deren Verlauf Palliative Care Anwendung finden soll.

Link zur deutschen Definition von Palliative Care (nach WHO)

Link zur englischen Definition von Palliative Care (WHO)

Nicht definiert ist allerdings der Zeitpunkt im Krankheitsverlauf, an dem spezialisierte Palliative Care beginnen soll. In der Praxis wird mit Palliative Care vor allem die Betreuung am Lebensende von Patienten mit unheilbaren Erkrankungen verstanden. Zuletzt haben sich aber Stimmen gemehrt, die für einen möglichst frühen Beginn einer palliativen Betreuung in einem derartigen Krankheitsprozess plädieren.

Weil unterschiedliche Krebserkrankungen ganz unterschiedlich lange Krankheitsverläufe aufweisen, haben bisherige Studien, die die Auswirkungen eines frühen Beginn von Palliative Care untersucht haben, äußerst widersprüchliche Ergebnisse erbracht.
 

Neue Studie untersucht frühe Palliative Care

Die nun vorliegende Studie hat deshalb nur Patienten mit einer einzigen Krebsart untersucht (Lungenkrebs) und dabei auch nur diejenigen, die zum Zeitpunkt der Diagnose schon so weit fortgeschritten waren, dass eine Operation nicht zielführend war und mit Strahlentherapie und Chemotherapie zwar eine Verbesserung der Überlebenszeit, aber keine nachhaltige Heilung zu erwarten war.
Diese Patienten erhielten alle die reguläre Chemotherapie und Strahlentherapie durch den sie behandelnden Onkologen.  Die Hälfte von ihnen wurde aber zum Zeitpunkt der Diagnose einem Palliative Team vorgestellt und von diesem im Krankheitsverlauf weiter betreut. Kontakte mit dem Palliativteam fanden mindestens einmal pro Monat statt, konnten auf Wunsch der Patienten aber auch häufiger erfolgen. Das Palliativteam hat dabei nach einem streng standardisierten Protokoll bei jedem Besuch die körperlichen, psychischen und sozialen Beschwerden und Probleme der Patienten analysiert, entsprechende palliativmedizinische Therapien und Hilfestellungen eingeleitet und die Patienten auf ihrem Weg begleitet. Zusätzlich wurden, wenn dies vom Patienten als notwendig erachtet wurde, Therapieentscheidungen zwischen dem betreuenden Onkologen und Palliativmediziner gemeinsam besprochen.
 

Vielversprechende Ergebnisse

Die Ergebnisse zeigen, dass die von Onkologen und Palliativmedizinern gleichzeitig und gemeinsam durchgeführte Betreuung die Lebensqualität der Patienten signifikant verbessert. Außerdem vermindert sie signifikant invasive Therapien am Lebensende (wie Aufenthalte auf Intensivstationen, Strahlentherapie und Chemotherapie), ohne dass dadurch ein Verlust an Lebenszeit in Kauf genommen werden müsste.

Nachdem die Studie allen Kriterien der so genannten Evidenz Based Medicine entspricht, sind die Ergebnisse als extrem verlässlich zu werten und sollten entsprechende Folgen für das Betreuungskonzept dieser Patienten in der Praxis haben.